TOM SCHIMMECKs ARCHIV | |
2014 | |
Kolumne Freundliche Befragung Früher waren die USA mein Land der journalistischen Freiheit. Jetzt werden die Hürden immer höher. Ich möge bitte weder Sprengstoffe noch Schusswaffen mitbringen, schrieben die Freunde. Auch keine kleinen Spiegel, kein Telefon, keinen USB-Stick. Ich erwog, in Badehose zu erscheinen. Aber es war noch zu kalt. Letzten Freitag war ich bei den US-amerikanischen Freunden in Berlin eingeladen, zum Interview. Ein neues Journalistenvisum war fällig. Seit Jahrzehnten besuche ich ihr großes, schönes Land. Früher kam das Visum per Post. Heute muss man persönlich vorsprechen. Zuvor hatten sie sehr viele Fragen: Welche Länder ich in den letzten fünf Jahren besucht habe. Ob ich mal studiert habe und wo und was. Wo ich zuletzt angestellt war und wie mein Vorgesetzter hieß. Ob ich Mitglied einer Berufsvereinigung, einer wohltätigen oder terroristischen Organisation sei, jemals in Geldwäsche, Organ- oder Menschenhandel verwickelt war, Kindersoldaten rekrutiert habe und/oder beabsichtige, in den USA zu spionieren, sabotieren, mich gar zu prostituieren. Es dauerte Stunden. Mir wurde klar, wie eintönig mein Leben doch ist. Fotografieren ist auch verboten Ich reiste in die Hauptstadt, stand um halb neun vor der Konsularabteilung in der Clayallee. Schon auf der Straße bekommt man einen weißen Zettel mit ersten Instruktionen, welche Dokumente bereitzuhalten sind. Wird dann zum „100% ID Check“ gebeten, gescannt und abgefiept. Das Übliche. Ich war fast fehlerfrei: Keine Sprengstoffe, kein USB-Stick. Nur meine Pfefferminzrolle wurde beschlagnahmt. Man muss durch viele schwere Türen, die mit sattem Klicken schließen. Bis zur Schlange vor der Anmeldung, wo man einen blauen Zettel mit weiteren Instruktionen erhält. Im Wartesaal gibt es einen Kaffeeautomaten und einen brummenden Apparat, der gegen Münzen Peanutbutterkekse und die bekannten Limonaden hergibt. Ein Plakat zeigt die Freiheitsstatue, ein Endlosvideo die Schönheiten des Landes. Ich mag die USA. Klar habe ich haufenweise Fragen an diese Nation. Deswegen fahre ich ja immer wieder hin. Sie kann sehr brutal und selbstgefällig sein. Lässt sich oft mit höchst fragwürdigen Freunden ein. Mir missfällt es, dass ihre Geheimdienste weltweit alle Informationen sammeln und horten, derer sie habhaft werden können. Aber prinzipiell mag ich dieses Land. Und sitze nun in seinem Wartesaal. Einziger Lesestoff: Etliche Ausgaben des „Confederate Veteran“, eine Postille des Vereins der Angehörigen konföderierter Kämpfer. Mein Exemplar hat ein Schlachtengemälde auf dem Titel, schreiende Männer mit Säbeln und Flinten. Das Konsulat scheint fest in der Hand der Südstaatler zu sein. Der Bürgerkrieg geht weiter. Es ging dabei, so lerne ich staunend, gar nicht um Sklaverei. Im „Confederate Veteran“ ist viel von Ehre, Tapferkeit und Treue die Rede, von „der Sache“ und „der Wahrheit“. Schnappschüsse zeigen Veteranenkinder, die Uniformen, Orden und die berühmte Kriegsflagge herzeigen, das blau durchkreuzte Rot mit Sternchen. Der „Chef-Kaplan“ legt dar, dass Christen seit Urzeiten „gerechte Kriege“ führen. Mit Gottes ausdrücklicher Billigung. Mit ihren eigenen Spinnern sind die USA noch immer sehr tolerant. Nur mich mögen sie gerade nicht mehr. Der Konsularbeamte hat nur zwei Fragen. Dann reicht er mir einen roten Zettel, die vorläufige Ablehnung. Er sagt: „Wir brauchen mehr Informationen.“
|