Snobs im Büßerhemd
Apple, schon als "Gigant von gestern"
verhöhnt, strebt nach Glanz und neuen Märkten
1996 - von Tom Schimmeck
Der Mann war die Zerknirschung in Person. Jawohl,
man sei auf die Nase gefallen, brummte Gilbert Amelio, neuer Chef von Apple
Computers. Doch nun sei die Firma dabei, „aufzustehen, den Schmutz abzuklopfen
und weiterzugehen“. Die Mitmanager auf dem Podium, verschanzt hinter Frühlingsblumen,
nickten dazu betreten.
Amelio (52), vergangene Woche mit großer Entourage zur Cebit angereist,
verabreichte Zuversicht in homöopathischen Dosen – und verteilte dazu
eine Anstaltspackung Selbstzerknirschung. Apple werde neu strukturiert,
die ausfasernde Produktpalette gestrafft. Vor allem aber wolle man fortan,
so sprach Amelio, „ein bißchen weniger arrogant sein“.
Die Sinnkrise im Management ist gewaltig. Nie hat man die Repräsentanten
des einstigen Flaggschiffs der Branche so gerupft gesehen. Im „PowerPark“,
dem Apple-Stand auf der Cebit, schaufelten die Vizepräsidenten um
die Wette Asche auf ihre Häupter. Demonstrativ traf man sich mit Kunden,
lauschte verständnisvoll ihren Klagen und Fragen.
Zu Jahresbeginn, als eine Übernahme von Apple durch den neuen Branchen-Darling
Sun Microsystems schon als Fait accompli galt, hatte die Krise am Apple-Hauptsitz
im kalifornischen Cupertino den Hochpunkt erreicht. Erst bestritt man Gespräche
mit Sun, dann räumte man diese ein – und erklärte sie flugs für
beendet. Sun hatte einen Niedrigstpreis für die stark gefallenen Apple-Aktien
geboten. Die Macintosh-Gemeinde drohte vom Glauben abzufallen.
Im letzten Quartal 1995 hatte Apple 69 Millionen Dollar verloren, das
Minus im laufenden Quartal wird wohl noch deftiger ausfallen. Ein Opfer
war vonnöten. Anfang Februar wurde der deutsche Boß Michael
Spindler abserviert. Der Alt-Chef gilt nun als Buhmann; vom neuen erhofft
man Wunder. Amelio ist erfolgreicher Businessman, zugleich Wissenschaftler,
Techniker und Inhaber diverser Patente. „Man macht einen Haufen Fehler“,
spricht er weise, „doch wichtig ist nur, wie man auf sie reagiert.“
Zumindest moralisch hat die gerechte Apple-Sache nun wieder Aufwind.
Auf der Internet-Seite des Unternehmens türmen sich Durchhalteappelle
der Apple-Nutzer. Der Chef selbst wandte sich elektronisch an die schrumpfenden
Mac-Scharen, um sie der Unverfaulbarkeit des Apfels zu versichern: „Selbst
die Enkel unserer Kunden werden noch Apple-Produkte kaufen.“
Auch Händler sehen wieder Licht. Er habe, gesteht ein deutscher
Apple-Partner, in den vergangenen Wochen eine Menge Spott („Gibt’s euch
morgen noch?“) erduldet. Doch die „große Verunsicherung“ würde
sich langsam legen. Die Apple-Frontbetreuer bei der Cebit melden erleichtert:
„Die Stimmung ist skeptisch, aber nicht aggressiv.“
Amelio macht Punkte, sein Ben-Cartwright-Charme kommt an. Kaum jemand
nahm ihm übel, daß er den Apple-Online-Dienst „eWorld“ jäh
kompostiert hat. Als Durchbruch werden auch die neuen Lizenzabkommen mit
Motorola, Olivetti und Acorn gefeiert. Erstmals ist darin eine Weitergabe
an die Abnehmer vorgesehen: Wenn etwa Motorola PowerPC-Boards verkauft,
kann es das Mac-System künftig dazupacken.
Wie alle setzt Apple aufs Internet – und auf die Verschmelzung von TV
und Computer. Zugleich will die Firma sich ihrer Qualitäten besinnen
und den mörderischen Preiskampf mit den IBM-Clone-Makern beenden.
Zurück zu den Wurzeln, heißt die Parole. Der Mac müsse
wieder „einfach, leicht bedienbar und zugänglich sein“, findet Amelio
– und die Firma „more businesslike“.
In Bälde werde er sich auch mit Software-Kaiser Bill Gates treffen.
Der hat ein kompliziertes Verhältnis zum Hause Apple: Er ist Freund
und Würger zugleich. Einerseits haben seine Microsofties das Mac-System
von Anbeginn mit Software bereichert. Andererseits gräbt Windows dem
Mac das Wasser ab. Daß Mac-User schon 1984, als Gates’ Dos- Jünger
noch kryptische Kürzel wie „del *.*“ und „md c:bullshit“ benutzten,
komfortable Maus-Menüs beklickten, interessiert heute nicht mehr.
Die Lorbeeren sind verwelkt, Windows ist die siegreiche Kopie.
Immer schwerer tun sich die Apple-Boten, gegen die „Wintel“-Übermacht
– die Welt der Windows-Software und Intel-Prozessoren – anzugehen. Der
Apple-Anteil am PC-Markt ist weltweit auf unter 10, in Deutschland auf
weniger als 5 Prozent gesunken. In der Branche gilt das vielen als Todesurteil.
„Quatsch“, kontert der deutsch-kalifornische Software-Guru und Apple-Freund
Kai Krause: „Kein Mensch geht zu Mercedes und sagt: Ihr habt 10 Prozent
Marktanteil, ihr seid tot.“
„Aufstehen, den Schmutz abklopfen und weitergehen“: GILBERT AMELIO (52),
neuer Apple-Chef, will das Computer-Unternehmen wieder auf Kurs bringen
©
Schimmeck
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