TOM SCHIMMECKs ARCHIV | |||
2007 | |||
Wind machen und Wellen schlagen Die uralten Alternativenergien sind die Zukunft. Voraussetzungen: Noch mehr Tempo, noch viel mehr Kapital von Tom Schimmeck
licht, dass sie nicht alles versuchen würden, die Herren Ingenieure. Vor schottischen Inseln etwa, berühmt für raue Landschaft und lausiges Wetter, schwimmt jetzt manch neue Versuchsanlage im Meer - Kraftwerke mit klingenden Namen wie "Wavegen" und "Pelamis", die aus Wellen Strom machen sollen. Vor Dänemark verfolgt ein ganz zahmer "Wave Dragon" dasselbe Ziel. Und auch andernorts suchen Forscher im Wasser Funken zu schlagen - mit neuen Gezeiten-, Strömungs- und Wellenkraftwerken. Denn das Meer ist immer da. Und stets in Bewegung. Was uns daran erinnert, dass die vermeintlich neuen Alternativenergien viel älter sind als Kohle, Öl und Atom. Von Anbeginn scheint der Superenergieball namens Sonne auf uns nieder. Und wenn er eines fernen Tages nicht mehr tut, haben wir auch keine anderen Energiesorgen mehr. Der Wind blies schon lange vor der Erfindung der Mühle. Von jeher strömt auch das Wasser von oben nach unten, wie auch, von der Erddrehung und der Anziehungskraft der Sonne und des Mondes gesteuert, in Gezeiten hin und her. Es geht also nicht um neue Energien, sondern schlicht um eine möglichst raffinierte Nutzung der klassischen, auf unserer Erde endlos verfügbaren Kräfte. Und ja, es geht voran. Während in diesem Sommer der Ölpreis wieder neue Kapriolen schlägt und sich viele deutsche Atomkraftwerke in einer Großpannenserie vom Netz verabschieden, geht die Sonne verlässlich jeden Morgen auf. Der Wind bläst. Und auch Wasser fließt weiterhin unbeirrbar von oben nach unten. Es dient übrigens schon seit dem Jahr 1881 der Stromerzeugung - als die Ottawa Electric Light Company ein Rad mit Turbine in einen Wasserfall schob, um die neuen Straßenlaternen und ein benachbartes Sägewerke mit Elektrizität zu beglücken. Zudem werden bestimmte Formen von Wasser-Energieerzeugern, Pumpspeicherwerke etwa, immer wichtiger, weil sie verlässlich einspringen können, wenn unstetere Stromlieferanten wie Wind grade eine Flaute haben Die simple, aber gewaltige Kraft des Wassers, liefert längst fast 20 Prozent der Weltstromproduktion. In glücklichen Ländern wie Norwegen (Anteil circa 99 Prozent), Brasilien (80), (Neuseeland (75), Kanada (70) und, Österreich (65) ist der Anteil deutlich höher. Sollte es dank neuer Technologien gelingen, auch die Kraft der Brandung, der Gezeiten und Strömungen in großen Umfang anzuzapfen, dürfte die oft als primitiv belächelte Wasserkraft weltweit eine noch gewichtigere Rolle spielen. (Die Internationale Energieagentur prophezeit bereits optimistisch, allein aus Wellenkraft könnten dereinst bis zu 50 Prozent des Weltstrombedarfs gewonnen werden.) Auch beim Wind sind die Fortschritte deutlich. Irgendwann aber sind an Land Grenzen erreicht, will man nicht jeden Acker mit Rotoren zustellen. Verstärkt setzt nicht nur die Berliner Regierung nun auf so genannte Offshore-Windparks, weit draußen im Meer. Bis 2030 sollen in Nord- und Ostsee deutsche Wind-Anlagen emporwachsen, die bis zu 25 000 MW produzieren - rund ein Sechstel des Strombedarfs. Geschätztes Investitionsvolumen: Rund 50 Milliarden Euro. Auf einer Plattform im Rostocker Fischereihafen wird schon belastbare Technik getestet. Innerhalb der EU wächst die auf den Meeren besonders dringende Kooperationsbereitschaft. Optimisten rechnen damit, dass Rotoren vor den EU-Küsten schon in 13 Jahren an die 50 000 Megawatt herbeiquirlen könnten. Das Äquivalent von zwei Dutzend Atomkraftwerken. An Land produzierten die Windenergieanlagen der 27 EU-Staaten Ende letzten Jahres 48 000 Megawatt - davon 20 000 in Deutschland. Weshalb sich Deutschland jetzt recht mustergültig fühlt auf dem Sektor der erneuerbaren Energien. Ihr Anteil daheim stieg allein 2006 um fast 13 Prozent. Zur Stromerzeugung steuern sie nun 12 Prozent bei. Die mutlose Vorgabe des schwarz-roten Koalitionsvertrages, bis 2010 einen Anteil von 12,5 Prozent zu erreichen, wird wohl schon in diesem Jahr überboten. Für das angepeilte EU-Ziel von 20 Prozent der Gesamtenergieversorgung müsste der Strombereich bis dahin auf etwa 34 Prozent klettern. Dies ist zu schaffen. Es sind heute bereits 15 Prozent. Eine Leitstudie des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt schiebt die Zielmarke kräftig nach oben: Beim Strom, sagt sie, ist bis 2030 ein Anteil von 45 Prozent, bis 2050 gar 77 Prozent drin. Erdwärme, Biomasse - überall gibt es Fortschritte. Automatisch kommen diese gleichwohl nicht. So braucht Europa für die Einspeisung von mehr Windkraft bessere Stromnetze. Auch benötigen Technologien, die etwas komplexer sind als das relativ schlichte Rotieren eines Propellers in Wind oder Wasser, Zeit und Kapital. Bei der Sonnenenergie ist das deutlich zu erkennen. Auch ihr Anteil wächst, aber sehr viel gemächlicher. 2006 wurde weit mehr als eine Millionen Quadratmeter Solarkollektoren installiert. Deutschland ist hier - schon aufgrund seiner nicht optimalen Lage - eher Technologieführer. Die Umsätze der Branche stiegen binnen sechs Jahren auf das Elffache. Neue, immer bessere Technik ist Trumpf. und Photovoltaik nicht der einzige Weg. In Jülich entsteht jetzt ein 50 Meter hoher Solarturm. Sein „Empfänger" wird von einer Spiegel-Fläche von an die 20 000 Quadratmeter gespeist. Es ist eine Technolgie, die sich eher im Süden als in Hamburg lohnt. Auch Spanien und die USA investieren hier. In Nordafrika dürfte die Technologie noch größere Effizienz entfalten. Weshalb Algerien just mit dem Bau einer Solarfabrik begonnen hat. Das Land weiß, dass sein Öl und Gas irgendwann verbraucht sein werden, die Sonne aber weiter scheint. Also konstruiert auch Algerien - mit spanischer Hilfe, einen Turm, mit einer Spiegelfläche, die etwa neun mal größer ist als die des Jülicher Versuchsbaus - gekoppelt mit einer Gasturbine, die nachts und bei dichter Wolkendecke einspringt. Bis 2020 will Algerien etliche Millionen Megawatt Solarstrom gen Europa exportieren. Potentiell, sagt der Manager von New Energy Algeria, könne das Land dank der Sonne das Vierfache des derzeitigen Weltenergieverbrauchs liefern. Selbst in den Golfstaaten plant man schon, den heimischen Energiebedarf mit üppig vorhandenem Sonnenlicht zu decken. Schon um noch mehr kostbares Öl auf dem Weltmarkt verkaufen zu können - zu maximalen Preisen.
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