Der ewige Schurke

Bodo Hombach scheidet als Bumann aus dem Kanzleramt


von Tom Schimmeck 

Eigentlich galt die Sache als gut eingefädelt. Dann aber gab es wieder europäische Wirren: Die Österreicher wollten ihren Mann durchdrücken, Griechenland hatte ein Standortproblem, ein Portugiese war auch noch im Rennen. Als am Dienstag früh um 5.10 Uhr endlich Außenpolitikchef Michael Steiner aus Rio anrief und den Hörer an Gerhard Schröder weitergab, war Bodo Hombach doch erleichtert: Der neue Balkan-Job war seiner.

Schon in der Vorwoche hatte Schröders Mann für alle Chefsachen tüchtig Vorfreude versprüht. Seit sich die neue Berufsperspektive aufgetan habe, verkündete der neue Balkan-Experte, federe er wieder fröhlich aus dem Bette. Der Plan, hieß es zur Garnitur, sei von Schröder und seinem "besten Mann" bei einer männerfreundschaftlichen Nachtwanderung im Kanzleramtsgarten ausgeheckt worden. Da hatten Kenner, die wissen, daß Hombach selbst die paar Schritte vom Bundestag zum Amt im Dienstwagen zurücklegt, schon "physikalische Zweifel".

Mit aller Kraft galt es den Eindruck zu vermeiden, hier werde einer abgekanzlert, weggelobt, entsorgt. Die Koordination des Balkan-Stabilitätspaktes, das war Hombachs Kunde, sei eine "Traumaufgabe" - mitnichten aber der politische Tod eines Handlungsreisenden.

In der Tat gilt er als geeignet. Hombach, sieben Jahre Außenhändler bei Preussag, ist wirtschaftlich gut vernetzt, kann planen, pokern und Geld bewegen. Der Manager wird dafür sorgen, daß die Millarden, die gen Balkan fließen sollen, sich auch in den Auftragsbüchern der deutschen Industrie niederschlagen.

Vor allem aber hat der jähe Abgang hat einen hochwillkommenen Haupteffekt: Schröder ist ein Problem los. Denn Hombach galt nicht nur als ein Hauptverursacher des rot-grünen Regierungschaos. Der Kanzleramtschef, anfangs noch ein Sieger, mutierte binnen acht Monaten zu einer Art Fleischwerdung allen Argwohns gegen Schröder. Minister zeigten sich grob verstimmt über Hombachs Managment, Abgeordnete verfolgten mit wachsendem Entsetzen das Gestolper auf der Chefetage. Auch die eigene Partei hatte Hombach schließlich gefressen. Selbst aus NRW kamen Rücktrittsforderungen.

Das hat ihn wohl getroffen. Seine Aufgabe sei es gewesen, erklärte er mit einem unüblichen Anflug von Zerknirschung, "dem Kanzler Probleme vom Hals zu halten, nicht aber, neue ins Haus zu bringen."

Der Job war überlensgroß: Hombach hatte nicht nur einen neuen Machtapparat aufzubauen, er halste sich auch fröhlich all die Chefsachen des Gerhard Schröder auf: Das Bündnis für Arbeit, den Atomausstieg, die Entschädigung für Zwangsarbeiter des Dritten Reiches, die Rückholung der Stasi-Akten aus Amerika, die Befreiung des Helmut Hofer aus dem Iran. Hombach wollte Amtschef sein, Troubleshooter - und Chefdenker obendrein: Der Bewunderer von Clinton und Blair versuchte sich auch als Pfadfinder auf dem Dritten Weg. Ein Hobby, das er weiterpflegen will: Im Juli ist Hombach mit Blair-Spezi Peter Mandelson und dem französischen Europa-Minister Pierre Moscovici zu weiteren Sondierungen verabredet. Dabei soll es bleiben.

Die schiere Fülle der Aufgaben weckte mächtige Erwartungen. Ben Bodo schürte das Feuer: Morgen Kinder, wird's was geben. Und so wartete Deutschland darauf, daß Hombach bald Großes gebiert. Doch wenig geschah. Stattdessen mehrte sich das Chaos im eichengetäfelten Kanzlerbau. Trittins Verbot der atomaren Wiederaufbereitung wurde über Nacht kassiert, die Korrektur der 630-Mark-Jobs geriet zum Fiasko, man stritt um die Finanzierung von Atomkraftwerken in der Ukraine. Wann immer wieder etwas durchsickerte, gab es einen Hauptverdächtigen: Bodo Hombach.

Der große "Spin doctor", der seine Stars mit Mythen und Legenden umrankt, wurde selbst zum Negativ-Mythos. Seit der Flucht des Oskar Lafontaine gen Saarbrücken galt Hombach endgültig als fieser Strippenzieher, als ein Provokateur mit Erhard-Büste im Dienstzimmer, der seinen Kamin mit dem Parteiprogramm anheizt. Kurzum: als bitterböser Bube.

WWidersacher ist er gewohnt. Schon als Politnovize in Nordrhein-Westfalen kam der Mann mit dem Ego eines Braunkohe-Baggers nicht immer gut an. "Es gab immer Leute", meint Hombach, "die mich lieber ausradiert sähen." Als GEW-Sekretär schmiß er die Linksradikalen raus, da war er gerade 25. Auch über den Chefwahlkämpfer des Johannes Rau rümpften manche die Nase. Er erinnert sich genau: Damals, am 25.Mai 1985, als Rau 52,1 Prozent einfuhr, kamen sie aus der Bonner Baracke- nicht um dem Jungstar um den Hals zu fallen, sondern "um böse zu zischeln" über seine "Waschmittelwerbung". Nur Willy Brandt habe ihn "demonstrativ umarmt".

Und doch fühlt er sich als Sozi reinstes Wassers. Daheim in Mülheim an der Ruhr, wo sein umstrittener Neubau steht, holt er sich "Nestwärme" bei Genossen, Betriebsräten, auch bei Bossen. Hier kennt er Leute aus Zeiten, da er als Fernmeldehandwerker für Currywurst und eine Raucherecke in der Kantine kämpfte. In der Kneipe, am Stand, am Grill spürt er "Verwurzelung". Da ist die SPD-Welt noch ziemlich in Ordnung. Die NRW-SPD ist ja viel ordentlicher, autoriärer. Da wird per Direktive entschieden, per Telefon regiert. Da sind Wirtschaft und Politik noch richtig verzahnt, die Mehrheiten stehen wie Stein. Und im Parlament geben Vorklatscher den Einsatz.

Für den Macher Hombach muß Bonn ein Kulturschock gewesen sein: All die aufmüfigen Sozis, die gehegt und gepflegt werden wollen. Dazu die Grünen. Bonn war nie ein gutes Pflaster für ihn. Da sei er, beobachtete einst Johannes Rau "so'n bißchen außen vor." Als Rau 1986 gegen Kohl antreten wollte, rasselten Hombach und Wolfgang Clement, damals Parteisprecher, mit der Zentrale derart aneinander, daß beide schließlich unter Absingen schmutziger Lieder vorzeitig das Feld räumten. Die Wahl ging grandios verloren.

Aber auch mit Schröder war Hombach nicht immer Freund. Im ersten Wahlkampf des aufstrebenden Niedersachsen wurden Hombach und Clement ausgesandt, dem Schröder die rot-grünen Flausen auszutreiben. Später, im Kampf um die Parteispitze, setzte die NRW-Granden geschlossen auf Scharping. Erst als sich Hombach von Rau gelöst hatte - ein unvollendeter Vatermord - entdeckte er die neue Hoffnung Schröder.

Schröder fand in ihm den kongenialen Partner; Eine Wahlkampfmaschine, ein Zocker, blitzgescheit, unkonventionell, angriffslustig. Einer, der seine Leute mit Haut und Haar vereinnahmt und ausrichtet. Einer, der um einen wahren Kern ein schönes großes Märchen spinnen kann, der Fronten aufbauen, Formeln prägen, Attribute usurpieren kann: modern, neu, gerecht. Hombach, von Heiner Geißer einst zur "gefährlichsten Waffe der SPD" gekrönt, machte den Kanzleraspiranten hoffähig in der Parteibastion NRW. Er schrieb ihm schöne vage Slogans auf den Leib. Und abends konnte man mit ihm eine Zigarre durchziehen. Er war's nicht allein, aber er half.

Doch als die Macht errungen war, kam sich der Selbstdarsteller wieder selbst in die Quere. Sein Wahlkampf ging weiter - gegen die "Traditionalisten" in der eigenen Partei, die den "Rundum-Sorglos-Staat" wollen. Das war Bumm-bumm-Bodo, der Polarisierer, der Mann mit dem Drang, alle wissen lassen, was er nun wieder Tolles ausgeheckt hat. Wie einer, der nach dem Geschäft noch schnell an die Kachelwand schreiben muß: "Bodo was here".

Das ließ keinen kalt. Wenn Hombachs Name fiel, stieg der Blutdruck. Seine Verachtung für ineffeziente Bedenkenträger kam mehr und mehr als hohle Arroganz daher. Denn das System Hombach läßt sich nur durchhalten, solange Erfolg es unterfüttert - oder zumindest einer Vorahnung davon. Warum man ihm alles Schlechte zutraute? Sagt ein Kenner: "Weil er's manchmal auch war."

Mit dem Fall des Oskar Lafontaine war Hombach seiner Rolle als Vorstopper beraubt. Schröder ahnte allmählich, daß sein leiser, loyaler Staatssekretär Frank-Walter Steinmeyer, in Hannover lange erprobt, als Amtschef bessere Dienste leisten würde. Nun werden die Sonderaufgaben abgeben: Monika Wulf-Matthies soll sich um das Bündnis für Arbeit kümmern, Zwangsarbeiter-Entschädigung und der Fall Hofer gehen zum AA, der Atomkonsens zu Wirtschaftsminister Müller. Und Hombachs Posten wird, zur Freude von Hans Eichel, eingespart.

Historischer Treppenwitz: Sein Ziehvater Rau, nun Präsident, wird ihm die Entlassungsurkunde überreichen. Was fühlt Hombach? Vor allem fühlt er sich chronisch mißverstanden. Hätte er doch nur, bedauert er rückschauend, die Zeit gehabt, mit allen zu reden und ein Bier zu trinken. Denn sein Ziel sei doch nur, sagt die Unschuld von Mülheim, "daß die SPD immer 52 Prozent bekommt".

Jetzt schnell auf Zukunft schalten. Er wird gewiß wiederkommen. Und er freut sich schon so auf den neuen Job - als "Lobbyist für den Balkan".

VITA
Bodo Hombach wurde am 19. August 1952 in Mülheim an der Ruhr als Sohn eines Dekorateurs geboren. Nach Volkschule und Fernmeldehandwerker-Lehre holte er das Abitur nach und studierte Sozialarbeit. Parallel war er mit 22 Jahren Referent des DGB-Vorsitzenden von NRW. 1977 wurde Hombach GEW-Landesgeschäftsführer, 1979 wechselte er in gleicher Funktion zur NRW-SPD, zunächst bis 1981 als Vize. Für den Vorsitzenden Johannes Rau managte er erfolgreich die Landtagswahlkämpfe 1980, 1985 und 1990, aus Raus Bundestagswahlkampf 1987 zog sich Hombach nach Querelen in Bonn zurück. 1990 bis 1998 war er Landtagsabgeordneter in Düsseldorf, 1991 ging er als Marketingdirektor zur Salzgitter Stahl AG, stieg später zum Mitgeschäftsführer der Preussag Handel und der Preussag International GmbH auf. Im Juni 1998 wurde der Berater von Gerhard Schröder NRW-Wirtschaftsminister, im Oktober Kanzleramtsminister. Hombach, am Montag auf Vorschlag Schröders zum EU-Koordinator für den Balkan berufen, ist Mitglied zahlreicher Aufsichtsräte, Verbände und Vereine.


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