TOM SCHIMMECKs ARCHIV
(2015)

Mein Name ist Retter,
Weltenretter

James Bond ist wieder da, im 53. Jahr. Meine Begeisterung ist ungebrochen. Warum (zum Teufel) mag ich Bond?

Es ist Zeit, ein Bekenntnis abzulegen, dass mein hier mühsam kultiviertes Image eines rundum kritischen Zeitgenossen in die Tonne tritt: Ich mag James Bond.

Letzte Woche saß ich, einen Pappbecher Kaffee in der Hand, einen Vormittag lang mit lauter lichtscheuen Leuten, die wohl Filmkritiker waren, in einem dunklen Saal und fieberte durch die 148 Minuten der frischen Folge. Die Welt war bitterböse. Bond war gut. Sehr gut. Selbst an dem Putin-Charme von Daniel Craig gewöhne ich mich allmählich. Was soll ich sagen? Schön war's.

Trotzdem muss ich mich als rundum kritischer Staatsbürger natürlich fragen, welche Kräfte hier wirken. Was mag ich an Bond? Den maskulinen Kult? Natürlich nicht. Zumal ein gelungener Bond ohnehin eine Persiflage auf das Mannsbild an sich ist. "Er ist nicht nur ein Macho", erklärte der Herr Craig unserer stets wissbegierigen Deutschen Presseagentur, "er hat auch softere Seiten." Es würde helfen, wenn Bond-Darsteller außerhalb des Films ein Schweigegelübde ablegen würden.

Apropos Gelübde: Niemals will und werde ich an einer Hotelbar enden und mit anderen traurigen, gescheiterten Geschlechtsgenossen davon schwärmen, wie geil dieser Bond ist.

Vielleicht die schnellen Autos? Mir so egal wie schicke Uhren. Die Knalleffekte, die Stunts? Nicht entscheidend, wiewohl sie mitunter spannungshebende Wirkung entfalten. Klar. Dafür sind sie da. Die "Bond-Girls"? Weiß nicht recht. Ja. Nein. Vielleicht. Die aktuelle Frau an seiner Seite, Frau Dr. Swann, ist – wie sagt man? Attraktiv? Das gehört dazu.

Ist es der skrupellose Charakter? Will ich insgeheim so sein? Also, ich bitte Sie! 2013 erschien eine Studie von drei Medizinern, die nach Lektüre aller 14 Bond-Bücher zu dem Schluss gekommen waren, Agent 007 müsse seine Wodka-Martinis schütteln, weil er zum Rühren aufgrund eines Alkohol-induzierten Tremors kaum mehr in der Lage sein dürfte. Psychologen, die sich auf seine Seele stürzten, kamen zu dem Schluss, Bond sei ein "funktionaler Psychopath".

Nun denn. Aber er zeigt Beherrschung. Und Mut. Ist unbestreitbar schlank und fit. Und besiegt, nach ein paar lässlichen Problemchen, stets ebenso zwangs- wie beiläufig den Bösen. Im aktuellen Fall, Seriennummer 24, gleich zwei: Einen verbeamteten Kotzbrocken namens C, der alle Welt auf totale Überwachungseffizienz trimmen will. Fehlt nur noch, dass er von "Synergieeffekten" schwafelt. Und den superbösen Herrn Oberhauser, Oberhaupt einer Organisation namens "Spectre", die den Megaschnüffdienst organisiert und finanziert, zum eigenen Nutzen natürlich.

Wir wollen nicht zuviel verraten. Nur, dass der wackere Agent, seiner Behörde durch Fusion beraubt, unterstützt nur mehr von M, Q und der immer treuen Moneypenny, das Gelingen des großen, teuflischen Plans trotz mutipler Widrigkeiten und enormen Sachschadens in allerletzter Sekunde vereiteln kann. Sapperlot, sagen Sie? Vor meinem schon eingetrübten geistigen Auge verschmolzen Bond und Edward Snowden in dieser letzten Sekunde zum Superhero.

Vielleicht ist es diese Botschaft, die mich immer wieder glücklich macht: Man kann, die nötige Entschlossenheit vorausgesetzt, trotz notorischen Substanzmissbrauchs und schwerer Kindheit die Arschlöcher dieser Erde in die Flucht schlagen. Hernach wird man von schönen Frauen begehrt. Ja! So soll es sein.


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